Wir haben uns im Expertenkreis die nun verfügbaren Anträge auf Soforthilfe angeschaut und sind nicht überzeugt, dass es sich hierbei um eine schnelle und unkomplizierte Unterstützung der Unternehmen handelt. Nicht nur, aber insbesondere wegen der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen eines falschen oder auch nur fahrlässig/ leichtfertigen Antrags auf Soforthilfe haben wir größte Bedenken, unseren Kunden, Geschäftspartner, Mitgliedern oder sonstigen Ratsuchenden die Beantragung der Mittel des Landes zu empfehlen.

Gerhard Bach, Geschäftsführer der ChefCoach Unternehmensberatung GmbH und ehemaliger Vorstand der aktiven Stuttgarter, führt folgende Einwände an, die es genaustens zu prüfen und zu diskutieren gilt:

Antragsberechtigung

Es ist unklar, ob z.B. Existenzgründer (ohne referenzierbaren Vorjahresumsatz) antragsberechtigt sind. Die Richtlinien (Soforthilfe Corona) gehen von einer existenzbedrohenden Situation aus, wenn die Umsätze vom Vergleichszeitraum des Vorjahrs um mehr als 50 % unterschritten werden.

Beitrag zum Haushaltseinkommen

Der Richtlinie folgend sind Soloselbständige antragsberechtigt, wenn sie einen signifikanten Anteil zum Haushaltseinkommen beitragen (mindestens 1/3). Im Antrag ist dies unter 4. nun auch für Unternehmen bis 5 Mitarbeitern zu erklären, dass dies der Fall ist, obwohl es so nicht aus der Richtlinie hervorgeht.

Ausschluss der Förderung/ Unternehmen in Schwierigkeiten

Nicht gefördert werden Unternehmen in Schwierigkeiten nach Definition der EU. Sie sieht u.a. vor, dass Kapitalgesellschaften noch mindestens die Hälfte Ihres Stammkapitals vorweisen können. Welcher Stichtag hier zugrunde gelegt wird, ist unklar (aus letzter vorliegender Bilanz? 31.12.2018, 31.12.2019, 11.03.2020?).

Die in den FAQ des Wirtschaftsministeriums aufgeführten Hinweise sind irreführend…

„Um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt es sich beispielsweise, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Nicht antragsberechtigt sind Unternehmen insbesondere dann, wenn das bereits vor der Corona-Pandemie (vor dem 11. März 2020) der Fall war.“

…und verleiten Unternehmen zu den unbedachten Annahmen, eine nicht vorhandene Insolvenzgefahr sei ausreichend.

Im Weiteren herrscht größte Gefahr für Unternehmen, die ihren Gewinn nach § 4(3) EStG ermitteln (z.B. Freiberufler GbR´s), und überhaupt nicht wissen, ob sie gegen die Leitlinien verstoßen, hier einschlägig Nr. 20b.

20. Für die Zwecke dieser Leitlinien gilt ein Unternehmen dann als Unternehmen in Schwierigkeiten, wenn es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift. Im Sinne dieser Leitlinien befindet sich ein Unternehmen daher dann in Schwierigkeiten, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a) Im Falle von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ( 25): Mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals ( 26) ist infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen. Dies ist der Fall, wenn sich nach Abzug der auf gelaufenen Verluste von den Rücklagen (und allen sonstigen Elementen, die im Allgemeinen den Eigenmitteln des Unternehmens zugerechnet werden) ein negativer kumulativer Betrag ergibt, der mehr als der Hälfte des gezeichneten Stammkapitals entspricht.

b) Im Falle von Gesellschaften, bei denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften ( 27): Mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ist infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen.

c) Das Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder erfüllt die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger.

Größe des Unternehmens

Gefordert ist die Berechnung der Anzahl der Mitarbeiter nach Vollzeitäquivalenten (VZÄ). In den Richtlinien und den FAQ ist als Hilfestellung das „Benutzerhandbuch KMU- Definition“ angegeben. Hiernach ist die Beschäftigtenanzahl nach VZÄ und Jahresarbeitseinheiten (JAE) zu ermitteln. Dazu gibt es Klärungsbedarf, ob die JAE nun einbezogen werden müssen oder nicht. Dem Antrag nach nicht, den FAQ nach auch nicht. Der mehrmalige Verweis auf das Benutzerhandbuch lässt aber andere Schlüsse zu. Wenn die aktuell beschäftigen Mitarbeiter nur zeitanteilig in einem Jahr beschäftigt sind, sind in diesem Fall die in einem Jahr ausgeschiedenen MA auch zu berücksichtigen (deren Arbeitsplatz neu besetzt wurde) oder die Zählung nach Arbeitsplätzen (auch wenn sie derzeit/ übergangsweise nicht besetzt sind) geboten? Die Quelle macht deutlich, dass Auszubildende nicht berücksichtigt werden dürfen, die FAQ indes lassen eine Berücksichtigung bei Unternehmen bis zu 10 MA zu. Ausgeschlossen sind lt. KMU- Handbuch Beschäftigte im Mutterschaftsurlaub, die FAQs erlauben dies.

Insgesamt ist der Verweis auf das „Benutzerhandbuch KMU- Definition“ irritierend, hier ist eine unmissverständliche Formulierung erforderlich. Fußnote 3 der Richtlinie sagt, „die Beschäftigung ist in Vollzeitäquivalenten anzugeben. Die Berechnung erfolgt anhand der Regelungen der KMU- Definition der Europäischen Union“. Davon wird in den FAQ´s mehrmals abgewichen.

Ermittlung des Liquiditätsbedarfs

Fußnote 2 der Richtlinien gibt einen Hinweis darauf, dass bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses bei Personengesellschaften „ein kalkulatorischer Pauschalbetrag von 1.180,00 € pro Monat für Lebensunterhalt des Inhabers hinzugezählt werden“ darf. Es mag offensichtlich sein, dass Personengesellschaften nicht nur einen Inhaber haben und abgeleitet werden kann, dass dieser Pauschalbetrag für jeden Inhaber hinzugezählt werden darf. Warum aber die Beschränkung auf Personengesellschaften, gilt das nicht für Einzelunternehmen?

Einsatz von Privatvermögen

Auszug aus den FAQ:

„Muss ich erst sämtliches Privatvermögen einsetzen bevor ich den Zuschuss beantragen kann?
Vor Inanspruchnahme der Soforthilfe ist verfügbares liquides Privatvermögen einzusetzen.“
Nicht anzurechnen sind beispielsweise langfristige Altersversorgung (Aktien, Immobilien, Lebensversicherungen etc.) oder Mittel in angemessener Höhe, die für einen durchschnittlichen Lebensunterhalt benötigt werden.

Zwingend zu präziseren, was genau unter langfristiger Altersversorgung zu verstehen ist (die in Klammern gemeinten Beispiele mögen hilfreich sein, aber unvollständig und fehlerhaft…Immobilien sind ohnehin kein verfügbares liquides Vermögen). Was ist ‚langfristig‘? Muss bspw. eine Lebensversicherung mit einer kurzen Restlaufzeit aufgelöst werden? Was sind ‚Mittel in angemessener Höhe‘, was ist ein ‚durchschnittlicher Lebensunterhalt‘? Für welche Zeiträume sind Rücklagen erlaubt? Welche Vermögen werden erfasst? Sind Haushaltsvermögen (‚und‘/ ‚oder‘- Konten, gemeinsame Kapitalanlagen) betroffen? Was ist mit nicht formal zweckgebundenen Vermögen, etwa für die Berufsausbildung der Kinder, Pflege der Eltern, andere Vorhaben? Was ist mit Mitteln, die der Validierung von Bankbürgschaften dienen (nicht Sperrkonten oder Abtretungen gemeint, sondern Rücklagen)? Sind eigene Mittel bis zur Höhe zur Deckung von Bankbürgschaften befreit?

Ausschluss der Aufnahme von Fremdmitteln

Auszug aus den FAQ:

„Was muss bei Punkt 2 des Antrags („Grund für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage beziehungsweise den Liquiditätsengpass oder Umsatzeinbruch“) angegeben werden? (…Es ist anzugeben, inwiefern dies erst ab dem 11. März 2020 infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie ohne zusätzliche Eigen- oder Fremdmittel nicht mehr geleistet werden kann.“

Einzig hier ist der Verweis auf „zusätzliche Eigen- oder Fremdmittel“ zu lesen. Bitte um Präzisierung, dass keine zusätzlichen Fremdmittel eingesetzt (bzw. zunächst beantragt) und dass hierüber keine Nachweise erbracht oder später vorgelegt werden müssen!

„Versicherung, dass die existenzbedrohende Lage auch trotz Erhalt einer Hilfe besteht“: Dringende Präzisierung erforderlich, welche Umstände belegt werden müssen. Um einer späteren Überprüfung stand zuhalten wird es nicht ausreichen, dass man einfach ‚davon ausgeht‘ !!!

Empfehlung

Vor diesem Hintergrund können und werden wir keinen Unternehmen raten, die Hilfe in Anspruch zu nehmen! Wir empfehlen dringend, mit der Antragstellung auf Soforthilfe zu warten, bis mehr Klarheit herrscht (insbesondere bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften wegen der Anrechnung und Verwendung von privatem Vermögen). Zumindest sollten Sie beim Stellen des Antrages auf jeden Fall den fachmännischen Rat eines Steuerberaters, eines Anwalts oder eines Unternehmensberaters einholen.

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Ich habe den Antrag schon gestellt! Habe ich mich jetzt unwissentlich strafbar gemacht???

Nein, nicht unbedingt, Sie sollten aber die Angaben, die Sie bei der Antragstellung gemacht haben, auf jeden Fall ausreichend dokumentieren, da Sie bei einer Nachprüfung in Jahren womöglich Rechenschaft ablegen müssen!

Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden! Wir stehen mit verschieden Stellen in Verbindung und werden die einzelnen Punkte ergänzend kommentieren!